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Zwang zur Arbeit: Als wirtschaftlicher Zwang oder als Arbeitsdienstform?

OECD vertritt auch und gerade in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit eine "auf das Arbeitskräfteangebot ausgerichtete Politik"

Ulf Riebau

0. Die folgenden Thesen kommen aus Veröffentlichungen der OECD. Die OECD ist deshalb interessant, weil es eine der Organisationen ist, in der sich die nationalstaatlichen Regierungen der 24 dominanten kapitalistischen Länder als ein globaler ideeller Gesamtkapitalist versuchen, und weil sie mehrere Studien zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vorgelegt hat. Die OECD steht für eine Deregulierung und soziale Entsicherung der Arbeitsmärkte, aber dennoch soll die Kontrolle über die Arbeitskräfte mit einer differenzierten Palette von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Programmen gewährleistet bleiben. Die OECD will den Zwang zur Arbeit als wirtschaftlichen Zwang durchsetzen.

1. Mitte 1993 gaben sich auf einer OECD-Tagung die zuständigen Minister zutiefst besorgt darüber, daß die Zahl der registrierten Arbeitslosen im OECD-Raum (zum Jahresende 1993 auf mindestens 36 Millionen prognostiziert) "wahrscheinlich noch bis weit in das Jahr 1994 hinein nicht nenneswert sinken wird" (OECD 1993a:2). Die vorliegende OECD-Studien jedoch kommen auf die für das Kapital positiven Aspekte der Massenarbeitslosigkeit zu sprechen, nämlich die beschleunigte (Re)Allokation der Arbeitskäfte sowie deren Verbilligung durch Arbeitsmarktderegulation und Sozialkürzungen.

2. (Re)Allokation meint, "daß die Arbeitskraft kontinuierlich und unverzüglich - sowohl innerhalb der Unternehmen als auch auf dem gesamten Arbeitsmarkt - dorthin gelenkt wird, wo sie am produktivsten und gewinnbringendsten eingesetzt werden kann" (OECD 1990:81). Im OECD-Raum würden jährlich 10 Prozent des Arbeitsplätze-Bestandes wegfallen und neu entstehen. Zu große externe Flexibilität der Arbeitskraft (durch die allgemeine Erleichterung des Heuern-und-Feuern) wirke der Qualifizierung, Arbeitsplatzumgestaltung und Umsetzung innerhalb der Unternehmen (interne Flexibilität) entgegen. Zu große interne Flexibilität sei negativ für die gesamtwirtschaftliche (Re)Allokation der Arbeitskraft und segmentiere die Arbeitsbevölkerung zu stark in gesichert Beschäftigte mit Karriere-Perspektiven und GelegenheitsarbeiterInnen mit Gelegenheitsjobs (OECD 1990:86). Die allokative Funktion des Arbeitsmarktes sei stark abhängig "vom vorherrschenden gesellschaftlichen Konsens über soziale Standards und Gerechtigkeitsnormen" (OECD 1990:81). Jede Deregulierung, die auf sozialen Konsens gegründetete soziale Standards abbauen wolle, müsse dafür einen neuen Konsens schaffen.

3. Die Arbeitsbedingungen werden sich nach Region, Branche, Beruf und Qualifikation unterscheiden. Lohnunterschiede sollten Angebots- und Nachfrageüberschüsse auf dem Arbeitsmarkt darstellen können. "Niedriglohnarbeitsplätze" wären dann sinnvoll, wenn sie z.B. Jugendlichen und Migranten als "Einfallstor" in den Arbeitsmarkt dienten. Niedriglohnarbeitsplätze dürften aber nicht zur Falle werden und müßten von einer Qualifizierungspolitik für NiedriglohnarbeiterInnen begleitet werden (OECD 1993b:22). Die OECD nennt Beispiele für die staatliche Durchsetzung von größerer "Lohndifferenzierung": Erosion der realen Mindestlöhne, Einstiegstarife für Arbeitslose, Widerstand gegen Lohnforderungen im öffentlichen Sektor, Eindämmung der "Gewerkschaftsmacht" sowie Verstärkung des Wettbewerbs auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten (OECD 1990:76).

4. Die OECD vertritt auch und gerade in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit eine "auf das Arbeitskräfteangebot ausgerichtete Politik", d.h. die Quantität der tatsächlich verfügbaren Arbeitskraft soll insgesamt vergrößert werden und die Qualität dieser Arbeitskraft verbessert und ständig an die sich ändernde Nachfrage angepaßt werden (wobei die Kosten der Qualifizierung nicht ganz auf den Staat abgewälzt werden dürften). Der OECD geht es auch darum, die "under-utitised human resources" zu mobilisieren (OECD 1990:7), also z.B. dem vollständigen Rückzug vom Arbeitsmarkt durch entmutigte Frauen, demoralisierte "working poor" (OECD 1993b:22), "ethnische Minderheiten" oder Jugendliche aus den Großstadt-Slums (OECD 1990:87) entgegenzuwirken. Ebenso wird jede Form der Reduktion des Arbeitskräfteangebots als negativ angesehen, z.B. Arbeitszeitverkürzung, frühere Verrentung, längere (Aus)Bildung, Zugangsbarrieren für Frauen und Migranten (oder Maßnahmen zur "Förderung" der Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer).

5. Ausgangspunkt der angebotsorientierten Politik für den Arbeitsmarkt ist die Auffassung, daß "niedrige Arbeitslosenquoten den Lohndruck" verschärfen (OECD 1989:34) und die allokative Funktion des Arbeitsmarktes beeinträchtigen. Trotz und mit der Massenarbeitslosigkeit wird die totale Mobilisierung der Arbeitskraft angestrebt. Niemand gilt von vornherein als abgeschrieben, alle werden in Bewegung gehalten, damit Mobilität, Konkurrenz und Selektion das verfügbare "human capital" und dessen permanente (Re)Allokation optimieren.

6. "Arbeitslose, Invaliden oder Alleinerziehende" sollen am Erwerbsleben teilnehmen (OECD 1989:14). Das Arbeitskräftepotential von älteren Menschen und solchen mit "körperlichen, geistigen und sozialen Behinderungen" würde gemeinhin weit unterschätzt (OECD 1990:8). Für die Mobilisierung der weiblichen Arbeitskraft seien insbesondere die Kinderbetreuungsmöglichkeiten auszuweiten. Mit den Maßnahmen zur Mobilisierung der Arbeitskraft und besonders auch mit den Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit steige die Zahl der Personen, die aufgrund dieser Angebote arbeiten und sich qualifizieren wollten. Diese Mobilisierung von Reserven sei erwünscht, werde aber zumindest kurzfristig "weniger wirksam bezogen auf die Reduzierung der registrierten Arbeitslosigkeit" sein (OECD 1992:2). Entgegen der verbreiteten Auffassung, daß die Höhe der Arbeitslosenunterstützung eine Mobilisierung brachliegender Arbeitskraft von Arbeitslosen behindere, heißt es, "daß nur sehr große Einschnitte in die Arbeitslosenunterstützung zu einem signifikanten Anstieg der Abgänge aus registrierter Arbeitslosigkeit führen" würden (OECD 1992:21).

7. Wer nach Durchlaufen der diversen Recyclingprogramme für Arbeitskraft - 1988 waren im OECD-Raum 11 Millionen Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (OECD 1990:57) - dennoch vom Kapital keine Beschäftigung erhält - also selbst nicht im prekären Bereich - wird von der OECD für öffentliche Arbeitsdienste ("project-based programmes of direct job creation for certain of the least employable subgroups such as older and very long-term unemployed", OECD 1992:74) bzw. "beschützende Werkstätten" oder für die Frühverrentung, Behindertenverrentung ("disability pension schemes", OECD 1988:97), Erwerbsunfähigkeitsverrentung oder "Langzeitkrankengeld" (OECD 1992:6) freigegeben. Direkte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen seien auch "für eine Kategorie von Arbeitskräften" gedacht, deren weitere Arbeitslosigkeit als besonders schädlich angesehen werde, z.B. langzeitarbeitslose Jugendliche (OECD 1993b:25). Ansonsten werden Programme der staatlichen Arbeitsbeschaffung als uneffektiv angesehen, weil sie dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitskräftepotential entziehen.

8. Einerseits werden die alternde Arbeitsbevölkerung und die weniger auf den Arbeitsmarkt kommenden Jugendlichen für die Notwendigkeit der Mobilisierung aller Arbeitskraftreserven angeführt, andererseits seien selbst bei Wirtschaftswachstum nicht alle mobilisierten Arbeitskräfte zu absorbieren. Man könne sich nicht wie in der Vergangenheit darauf verlassen, daß "eine hohe Flut alle Boote hebt", da die Ansprüche der Arbeitskräfte an den Lebensstandard gestiegen seien und gleichzeitig aufgrund von lang andauernder Langzeitarbeitslosigkeit bestimmte Gruppen von Arbeitskräften nicht mehr beschäftigbar seien. Es gäbe daher gestiegene Anpassungs- und Übergangskosten (aufgrund eines sozialen "Beharrungsvermögens") sowie ein strukturelles Nichtzusammenpassen (mismatch) von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt (OECD 1990:79).

9. Als Risiken der Massenarbeitslosigkeit werden weniger die "Gefahren für das soziale und politische Gefüge" genannt als vielmehr Protektionismus, unangemessene Rücknahme früherer Arbeitsmarktreformen, die Rückkehr von der angebotsorientierten zur nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik (Deficit-spending, Steuererhöhungen, öffentliche Beschäftigungsprogramme) sowie Maßnahmen zur Reduzierung des Arbeitskräfteangebots (OECD 1993b:5).

10. Ausgangspunkt der Propagierung einer totalen Mobilisierung aller Arbeitskraft-Reserven ist, daß in den 80er Jahren sich das allgemeine Produktivitätswachstum im OECD-Raum - trotz der sich ausbreitenden kosteneffektiven neuen Technologie - verlangsamt habe: "Eine mögliche Erklärung für dieses Produktivitäts-Paradox ist ein soziales Umfeld, daß nicht genügend anpassungsfähig ist..." (OECD 1990:77). In den USA sei die Produktivität langsamer gewachsen, und die Zahl der Arbeitsplätze (Niedriglohn) sei im privaten Sektor gestiegen. In Westeuropa sei die Produktivität stärker gewachsen und nur wenige Arbeitsplätze, vor allem im öffentlichen Sektor, geschaffen worden (1993b:15).

11. Verknüpfung von Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik: In Zukunft müßten eine umfassende Strategie des erleichterten Arbeitsmarktzugangs auch für die verschiedenen Gruppen gelten, die bislang nur von der Sozialpolitik erfaßt wurden: Arme, von Transfereinkommen "Überabhängige" und von der Gesellschaft Ausgegrenzte (OECD 1990:85,88). Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik müßten zusammen die Arbeitsmarktteilnahme steigern und dabei sicherstellen, daß das Einkommen ausreicht, z.B. durch zeitweise oder dauernde ergänzende Einkommensunterstützung. Das gesamte System der sozialen Sicherung und das Steuersystem hätten nicht das Ziel der Arbeitsmarktintegration, aber dennoch wichtige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: "So hat das Steuer- und soziale Transfersystem in vielen Ländern zu Abhängigkeitsfallen geführt, d.h. zu einer Situation, wo zusätzliche Arbeitsanstrengungen zu einem geringeren oder zu einem nicht erhöhten Nettoeinkommen führen, weil die zusätzlichen Brutteeinkommen um die zusätzliche Einkommenssteuer sowie den (teilweise) Verlust von Sozialleistungen gemindert werden" (OECD 1993b:28). Diese "Abhängigkeitsfalle" oder negative Anreize für die Arbeitsaufnahme hängen nicht nur von der Höhe der Sozialleistungen und der Sozialleistungskürzungsrate bei erzielten Arbeitseinkommen ab, sondern auch von gesellschaftlichen Vorstellungen zur Arbeit und Freizeit, von der "Strenge" bei der Auszahlungen von Sozialleistungen, vom allgemeinen Lebensstandard sowie von der Größe der informellen Ökonomie (OECD 1991:113). Denn die "Abhängigkeitsfalle" und der negative Anreiz zur Arbeitsaufnahme werde überschätzt, wenn der Teil der tatsächlichen Arbeitsaufnahme nicht berücksichtigt werde, der in der versteckten Ökonomie stattfände.

12. Means-tested in-work-benefits statt Mindestlohn: Zunehmend gerieten Ungelernte und benachteiligte Gruppen in eine Abhängigkeitsfalle von Transfereinkommen, weil sie für sich und ihre Familien trotz Arbeit kein ausreichendes Einkommen erzielen können. Hier sollen nach Empfehlungen der OECD bedürftigkeitsgeprüfte Sozialleistungen für Beschäftigte eingesetzt werden: "Z.B. können den Lohn ergänzende Sozialleistungen direkt an Familien mit geringen Arbeitseinkommen gegeben werden, denn das ist kosteneffektiver als ein Mindestlohn, wenn es darum geht, die Armut in Haushalten mit mindestens einem Beschäftigen zu lindern" (OECD 1993b:28).

13. Migranten und Migrantinnen: Die OECD erwartet für die Zukunft "eher größere als geringere Migrationsströme" (OECD 1990:83). Internationale Migration hätte historisch eine wichtige Rolle "bei der Anpassung des Arbeitskräfteangebots in den OECD-Arbeitsmärkten gespielt" (OECD 1990:8). Restriktionen und Zwang zur effektiven Kontrolle der Migrationsströme seien nur begrenzt möglich: "Wichtiger sind positive Maßnahmen und an erster Stelle die Mobilisierung der inländichen Arbeitskraft in den Empfängerländern... Je erfolgreicher solch eine Angebotspolitik bezüglich des Arbeitsmarktes ist, desto geringer wird der Nachfragedruck vom Inneren des Landes sein" (OECD 1990:83). Die schlechte Arbeitsmarktlage mache die effektive Integration legaler Migranten noch schwieriger und addiere sich damit zu sozialen Spannungen (OECD 1993b:15). Die OECD hat auch die These vertreten, daß die Mobilisierung der inländischen Langzeitarbeitslosen Vorrang vor der Mobilisierung ausländischer Arbeitskraft habe. Mit der Arbeitsmigration würde ein doppeltes Integratiosproblem entstehen, nämlich das der Langzeitarbeitslosen (bis zu einem Drittel der einheimischen Bevölkerung) und das der Ausländer. Legte man den Schwerpunkt auf die Integration der Langzeitarbeitslosen, würden dagegen nicht zwei Probleme entstehen, sondern ein einziges gelöst (OECD 1992). Zukünftige Migrationpolitik müsse "langfristig koordiniert werden mit Maßnahmen zur Mobilisierung und Reallokation von inländischer Arbeitskraft, ebenso in den sendenden wie in den empfangenden Ländern (OECD 1990:8).

14. "Solidarität": Nach Abkehr vom Vollbeschäftigungspostulat dürfe die Alternative nicht sein, "die Wirtschaftsaktivität auf eine immer kleiner werdende Zahl immer produktiver werdender Arbeitnehmer zu beschränken und die auf diese Weise entstehende Arbeitslosigkeit durch Einkommensübertragungen von den aktiven zu den inaktiven Kräften erträglich zu machen" (OECD 1989:17). Den Menschen müsse bei der Anpassung an den Wandel geholfen werden: "Sie sind weder auf weichen Kissen zu betten (eine extreme Form des Wohlfahrtstaatsdenkens), noch dürfen sie mit übermäßigen Anpassungslasten vollständig allein gelassen werden, wie es bei einer radikalen Deregulierung passieren würde" (OECD 1990:82). Sozialer Zusammenhalt und "ein gewisses Maß an Solidarität, mit dem die Gewinner des strukturellen Wandels ihre Verpflichung akzeptieren, die Verlierer zu unterstützen, würde den Anpassungsprozeß erleichtern" (OECD 1993b:27). Wenn die Politik der Sozialleistungsabhängigkeit und dem Motivationsverlust bei den Verlierern nicht entgegenarbeitet, dann bestehe die Gefahr von "Steuerwiderstand bei denen, die für eine steigende Zahl von Leuten bezahlen müssen, die nicht mehr als beschäftigbar wahrgenommen werden" (OECD 1993b:27).

15. Arbeitsloseninitiativen: "Ob Regierungen neben der individuellen Unterstützung der Langzeitarbeitslosen auch Organisationen wie Arbeitslosengewerkschaften und Arbeitslosenzentren unterstützen sollen, ist zu klären" (OECD 1992:6). Als Gefahr wird angeführt, daß die Arbeitslosen die Regierungen verantwortlich machen könnten und eventuell zusammen mit der Opposition die Situation ausnützen könnten und daß es zu Konfrontationen mit der Arbeitsverwaltung auf lokaler Ebene kommen könnte. Als Chance wird angeführt, daß die Arbeitslosenorganisationen "unerwartete Talente" hervorbringen könnten und als Prävention gegen Isolation, die zum Rückzug vom Arbeitsmarkt führen könnte, funktionieren würden (OECD 1992:6).

Literatur

Vier Thesen zum Einstieg in die Diskussion

1. In den 90er Jahren will der globale Kapitalismus zurück in die Zukunft, d.h. die unbezahlte Arbeit im produktiven/reproduktiven Bereich ausweiten. Lohn- und Sozialfonds können gekürzt und Rationalisierungsprozesse dadurch gebremst werden (Mittel, um den Fall der Profitrate zu stoppen). Die reale Akkumulation in der Produktionssphäre soll wieder ausgeweitet werden, damit die spekulative Akkumulation in der Zirkulationssphäre nicht nachträglich zur fiktiven wird.

2. Die Ausweitung der unbezahlten Arbeit und die Senkung der Lohn- und Sozialfonds bringt die Angleichung der objektiven Lebensbedingungen einer global steigenden Anzahl von Menschen. Gleichzeitig wird das Wohlstandsgefälle zwischen den Gewinnern und Verlierern des One-World-Kapitalismus größer. Die Angleichung dieses Wohlstandsgefälles wird allenfalls als Notwendigkeit zur Solidarität innerhalb der Klasse der abhängig Beschäftigten und Ausgegrenzten gesehen.

3. Die neoliberale Politik der Deregulierung der Arbeitsmärkte ist Ausdruck und Mittel des globalen Sozialdumping. Staatliche Arbeitsdienste oder sonstige staatliche Lenkung des Arbeitskräfteeinsatzes zur Ausweitung der unbezahlten Arbeit stehen ökonomisch nicht zur Debatte, solange die Ausweitung der unbezahlten Arbeit auf den deregulierten und sozial entsicherten Arbeitsmärkten als stummer Zwang der Verhältnisse durchgesetzt werden kann.

4. Kerne von allgemeinen Arbeitsdienstformen existieren als lokale (soziale) Beschäftigungsprojekte. Allgemeine Arbeitsdienste gelten bei "Gefährdung des sozialen und politischen Gefüges" als Ultima ratio der Herrschaft über das Soziale. Dem vorgelagert ist aber das ausdifferenziertes Instrumentarium der arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Programme zur Mobilisierung, Anpassung und Kontrolle von (potentieller) Arbeitskraft, mit dem man den sozialen Sprengstoff der deregulierten und sozial entsicherten Arbeitsmärkte entschärfen zu können glaubt.


www.uri-text.de | Oldenburg (Oldb) | 1993-01-01